Equilbrium

August 30, 2008

Equlibrium
(USA, 2002)

Equilibrium

Equilibrium

Inhaltsangabe des Verleihs:

Die Zukunft. Ein totalitäres System mit Bürgern ohne Emotionen. Die Regierung hat menschliche Gefühle zur Ursache für Krieg erklärt. Daher muss sich jeder Bürger täglich seine Dosis Prozium spritzen um sämtliche Gefühle zu unterdrücken.
Bücher, Kunst, kurz alles, was an frühere, gefühlsgeprägtere Zeiten erinnert, ist verboten.

Der Kleriker John Preston (Christian Bale) verfolgt unerbittlich jeden, der gegen die neuen Gesetze verstößt. Dabei macht er auch vor Kollen oder gar der eigenen Familie halt. Bis er eines Tages zufällig seine eigene Dosis Prozium vergisst.

Preston nimmt Kontakt zur Widerstandsbewegung auf, die ihn auffordert, das System zu stürzen. Er wird vom Verfolger zum Verfolgten…

Regie:
Kurt Wimmer
Darsteller:
Christian Bale: John Preston
Sean Bean: Errol Partridge
Emily Watson: Mary O’Brien
Taye Diggs: Kleriker Brandt
William Fichtner: Jurgen
Sean Pertwee: ‚Vater‘
u.a.

Musik:
Klaus Badelt

Länge:
ca. 102 Minuten

FSK-Freigabe:
Ab 16 Jahren

Equilbrium ist einer jener wenigen Filme, deren deutsche „Direkt-auf-DVD“-Veröffentlichung ich nur mit einem Kopfschütteln bedenken kann.

Erzählt wird die scheinbar immer aktuelle Geschichte von einer verlorenen Gesellschaft, die von einer totalitären Regierung geknechtet, ihr karges Dasein fristet, zudem beraubt jeder Emotion. Erzählt wird die Geschichte eines scheinbar vergeblichen Kampfes einiger im Untergrund lebender Menschen, die sich nicht durch die Droge Prozium zu „lebenden Toten“ machen lassen wollen. Und erzählt wird die Geschichte des Grammaton Klerikers John Preston, der im Dienste der Regierung dieses „Sinnestäter“ gnadenlos verfolgt und selbst vor der Eliminierung selbiger im engsten Vertrautenkreis nicht zurückschreckt, bis ihm eines Tages die tägliche Dosis Prozium „abhanden“ kommt und er das erste mal erfährt, was es heißt zu fühlen…

Geschickt verknüpft Regisseur und Drehbuchautor Kurt Wimmer Element der Genreklassiker „Schöne neue Welt“, „1984“, „Fahrenheit 451“ – und ja, auch von „The Matrix“, und dennoch gelingt ihm dabei ein höchst eigenständiges, lebendiges Mahnmal, ein Meisterwerk, das in Zeiten von immer lauteren Rufen nach Freiheitseinschränkung zu Gunsten von mehr Sicherheit seitens der Politik sicherlich nicht nur zur bloßen Unterhaltung dienen sollte.

Den Kleriker John Preston verkörpert der britsche Ausnahmeschauspieler Christian Bale, inzwischen dank „Batman Begins“ zu internationaler Bekanntheit auch bei der Masse der Kinogänger gekommen. Und Bale trägt den Film; er ist die zentrale Figur, der Angelpunkt mit dem alles steht oder fällt. Er meister die Herausforderung großartig, denn die Rolle verlangt ihm wirklich extrem viel ab. Er muss überzeugend den kompromisslosen Kämpfer mimen, gleichzeitig aber auch den immer stärker werdenden inneren Konflikt überzeugend rüberbringen, den er im Laufe des Films mit sich austragen muss und der letztlich sogar in einer herzergreifenden Szene in seinem totalen Zusammenbruch mitten unter den Menschen und vor den Augen derer gipfelt, die für die Beseitigung solcher „Sinnes-Straftäter“ sorgen…
Knapp gesagt: Bale spielt Preston nicht, er IST Preston. Die Mimik ist auf den Punkt genau richtig, die Gefühle wie Wut, Verzweiflung, Entschlossenheit, Resignation, Sorge, Hass, all das kommt mit perfektem Spiel rüber.
Sein Partner und späterer Gegenspieler Taye Diggs wirkt dagegen schon fast blaß, denn letztlich kommt ihm „lediglich“ die Rolle des fiesen Opportunisten zu, welche er jedoch brilliant und mit sichtbarer Freude spielt.
Sehr gut gefallen hat mir auch Sean Bean in der Rolle von Prestons ersten Partner, Errol Partridge. Ohne zuviel zu verraten: Auch er bringt seinen -für sich bereits entschiedenen- inneren Konflikt durch seine Mimik, die von einem Hauch Melancholie getragen wird, wunderbar zum Ausdruck. Umso gewaltiger wird die emotionale Wucht der „Aussprache“ zwischen ihm und Preston.

Die Effekte sind exzellent, ebenso die Kameraarbeit und vor allem die ungewöhnliche Choreographie der Actionszenen. Für Equilibrium ersann Kurt Wimmer eigens das „Gun Kata“, eine Form der Selbstverteidigung, die mit Faustfeuerwaffen geschieht. Schwierig zu beschreiben, fantastisch anzusehen.

Den Score, den Klaus Badelt komponierte, kann man ebenfalls nur lobend erwähnen. Ganz klar aus Hans Zimmers „MediaVentures“-Schmiede, transportiert die Musik sowohl die Actionsequenzen hervorragend, als auch die dramatischen und tragischen Momente, die nicht gerade selten im Film zu sehen sind. Daß viele Stücke zudem regelrechten Ohrwurmcharakter besitzen, spricht ebenfalls für den Komponisten. Wie auch der Film an sich, ist der Score zu Equilibrium kein „Einmal hören und dann vergessen“-Erlebnis.

Fazit:
Bewegende, charaktergetriebene Geschichte, gepaart mit einigen der brilliantesten Actionszene der letzten Jahre – geht so etwas überhaupt?
Klare Antwort: Ja, es geht – und das sogar verdammt gut!
‚Equilibrium‘ hat eine für Flimverhältnisse ungewohnt tiefgreifende Charakterisierung, die Triebfeder des Films sind keine plakativen Effekte, keine tollen Landschaftsaufnahmen, sondern Christian Bales brilliantes Schauspiel. Daß der Mann zudem noch Keanu Reeves vom Coolness-Thron kickt, ist zweitrangig, aber das schafft er ebensol locker wie das volle Programm an Emotionen glaubwürdig rüberzubringen. Und spätestens wenn er, bzw. sein Charakter in aller Öffentlichkeit weinend zusammenbricht, wünscht man ihm alle Kraft der Welt um dieses unmenschliche Regime zur Hölle zu jagen. Der Wunsch wird erhört – und der Zuschauer bekommt ein selten brilliantes Stück Unterhaltung geboten, das sowohl Drama-/Charakterliebhabern, als auch Actionjunkies gefallen wird. ‚Equilibrium‘ ist ganz klar einer der Filme, die man gesehen haben _muss_.


Jean-Michel Jarre: Oxygene-Instrumente erklärt

August 11, 2008

Wenn man sich auch nur ein wenig mit elektronischer Musik befasst, kommt man um einen Namen nicht umhin: Jean-Michel Jarre. Der visionäre und revolutionäre Komponist, der mit Werken wie „Oxygene“, „Equinoxe“ und „Chronologie“ nicht nur einer der wichtigsten Wegbereiter von E-Musik für ein kommerzielles Publikum wurde, erklärt in folgendem Clip selbst die Funktionsweise und den Einsatz der unterschiedlichsten Instrumente, die er für „Oxygene“ verwendete.


Jamey – Das Kind, das zuviel wusste (Jonathan Kellerman)

August 3, 2008

Jamey – Das Kind, das zuviel wusste

Bearbeitete Fassung des Romans „Over The Edge“ von Jonathan Kellerman.

Ein Hörbuch von Lübbe Audio.
Gelesen von Reent Reins.

Umfang: 6 Audio-CDs.
Erstveröffentlichung: 2008.
Laufzeit: ca. 465 Minuten.
ISBN-Nummer: 978-3-7857-3524-4.

Inhaltsangabe des Verlags:

Der siebzehnjährige James leidet unter Wahnvorstellungen. Verzweifelt wendet er sich an den Psychologen Alex Delaware, doch bevor der ihm helfen kann, ist Jamey verschwunden. Gefunden wird er schließlich an einem Tatort – neben zwei schrecklich zugerichteten Leichen und mit einem Messer in der Hand. Delaware versucht, James Geheimnis zu ergründen und merkt viel zu spät, daß er in ein Wespennest gestochen hat…

Rezension von Ronny Schmidt:

Er ist Kinderpsychologe, der zu den angesehensten psychologischen Beratern des Kammergerichts von Los Angeles zählt und Fachbücher veröffentlicht.
Fachbücher? Nicht nur. Er ist zudem Autor bereits zahlreicher Kriminalromane, der bereits zu Beginn seiner literarischen Karriere mit dem Edgar Allan Poe Award und dem Anthony Award ausgezeichnet wurde und auch die New York Times frohlocken und zu einem Statement „Kellerman weiß, wie man Leser süctig macht“ hinreißen ließ. Zu recht, wie die vorliegende Produktion beweist.

In „Jamey – Das Kind, das zuviel wusste“ wird der Hörer mit einer in Populärkrimis eher vernachlässigten Art „Detektiv“ in einen Strudel aus Habgier, Macht und regelrecht erschreckendem Moralverfall geschickt. Ohne etwas von der Handlung verraten zu wollen, fragt man sich, wieviel unmenschliche, verstörende Schiksale Kellerman gesehen haben mag, um eine derart erschreckende, indes (leider) denkbare Handlung zu ersinnen.

Kellerman ist kein Freund aalglatter, fehlerfreier Charaktere. Zumindest fast. Neben der Ausnahme des noch etwas zu „glatten“ Psychologen Alex Delaware etablierte er hier einen homosexuellen Polizisten zu einer der Hauptfiguren – und das bereits 1987. Diesen baut er allerdings nicht als „Klischee-Tunte“ auf, sondern als dreidimensionalen Charakter.
Selbiges gilt für die Charakterisierung Jameys. Hier zahlt sich Kellermans berufliche Erfahrung und sein Wissen aus: Das Abdriften in den Wahnsinn des Jungen gelingt schmerzlich überzeugend. Man erfährt die Hintergründe, die Anfänge und bekommt den weiteren Verlauf fundiert und überzeugend vermittelt, so daß sich auch der Charakter Jamey nicht als Klischeeinkarnation entpuppt, sondern als komplexe Figur, die zwar größtenteils den Szenen absent ist, gleichsam eine Art „subtile Dauerpräsenz“ vermittelt und den Hörer am Ende nicht unbedingt mit einem Glücksgefühl entlässt.
Einzig störend: Bei der Übersetzung schlichen sich einige Ungeschicklichkeiten ein: Ich wage zu bezweifeln, daß Alex Delaware beispielsweise tatsächlich seinen „Motor anzuündet“ und dann losfährt und eine Kassette einlegt. Obschon die Vorstellung, der Psychologe mit dem brennenden Motorblock, der durch die Straßenschluchten der Großstadt fährt, recht amüsant ist (allerdings natürlich nicht zum Grundton der Erzählung passt)…

Als Leser wurde Reent Reins verpflichtet – und für mich ist Reins nicht mehr und nicht weniger als ein absoluter „Geheimtipp“ dieses Jahres. Was er für „Jamey“ abliefert, ist schlicht außergewöhnlich. Reins dürfte den meisten 80er-Fans noch als Synchronsprecher von Don Johnson in der TV-Serie „Miami Vice“ bekannt sein, doch als Schauspieler ist er selbst natürlich zu wesentlich mehr in der Lage. Zu wieviel mehr, das beweist er hier in beeindruckender Weise. Reins spielt die einzelnen Charaktere, jede Figur bekommt eine ganz eigene Coleur, selbst Dialoge zwischen den Charakteren lassen sich mühelos verfolgen, mehr noch: Durch Reins‘ Leistung wird aus der Lesung regelrecht das vielbemühte, in diesem Fall jedoch absolut treffende „Kino für die Ohren“. Egal ob der überhebliche Anwalt, der unter einer Psychose leidende Jamey, Delawares Ehefrau, Chauffeur, Rocker, Punk – Reent Reins fackelt ein regelrechtes Feuerwerk ab und stellt sich somit selbst eine klare Empfehlung für weitere Lesungen aus.

„Jamey – Das Kind, das zuviel wusste“ entpuppt sich trotz des Alters der Story auch heute noch als packender Thriller, der durch seine nahezu perfekte Verbindung von Krimi und wissenschaftlicher Sachkenntnis, sowie durch interessante Charaktere, Wendungen und einem verdammt bösen Plot besticht. Gespielt von einem beeindruckenden Reent Reins, der mit seiner glänzenden Leistung aus dieser Lesung einen „Hörfilm“ macht, bleibt einem Krimi- und Thrillerfan eigentlich nur eine Wahl: Einlegen und dieser Achterbahn aus Wahnsinn und moralischem Werteverfall zu folgen.
Damit wäre der erste von bis dato 22 Alex Delaware Fällen in Hörform erhältlich – zudem als „Budget Titel“. Und mir bleibt lediglich die Hoffnung zu äußern, daß Lübbe Audio diese Reihe weiter im Auge behält – eine Fortführung wäre nach diesem grandiosen Erstling äußerst wünschenswert.


Zuletzt gehört

August 1, 2008

Jamey – Das Kind, das zuviel wusste
Nach dem Roman von Jonathan Kellerman

Reent Reins gibt ein fantastisches Debüt als Erzähler. Die Story selbst ist, trotz des Alters von mittlerweile fast 20 Jahren, nach wie vor packend, böse und der „Showdown“ zwischen Psychologe Alex Delaware und seinem Freund bei der Polizei, Marino, auf der einen, und die Sammlung perverser Abgründe in High Society Form auf der anderen Seite, kommt immer noch gut.
Reins ist imho eine verdammt starke Entdeckung und eine definitive Bereicherung für den Bereich der Hörbücher. Gerne mehr von ihm. Und gerne auch weitere Alex Delaware Vertonungen.

Illuminati
Nach dem Roman von Dan Brown

Sozusagen als „Vorbereitung“ auf die Verfilmung zu „Angels & Demons“ im kommenden Jahr -mit Tom Hanks und Ewan Mac Gregor-, läuft momentan wieder Wolfgang Pampels grandiose Darbietung des Romans. Schön inszeniert, faszinierend gespielt (gelesen möchte ich das gar nicht mehr nennen), und von der Story her brilliant.


H.P. Lovecraft: Berge des Wahnsinns

Juli 23, 2008

H.P. Lovecrafts Bibiothek des Schreckens: Berge des Wahnsinns

Ein Hörbuch von LPL Records.
Regie: Lars-Peter Lueg
Erzähler: David Nathan
Umfang: 5 Audio-CDs
Erstveröffentlichung: 2008.
Laufzeit: ca. 346 Minuten.
ISBN-Nr.: 978-3-7857-3522-0
EAN-Nr.:  9783785735220

Inhaltsangabe des Verlags:

Bei einer Antarktis-Expedition stoßen Wissenschaftler auf die gefrorenen Leichen seltsamer Wesen. Angetrieben von unstillbarem Wissensdurst entdecken die Forscher ein riesiges, bis dahin unentdecktes Gebirge. In diesen Bergen des Wahnsinns stoßen sie auf eine verlassene, düstere Stadt, die scheinbar von den unbekannten Kreaturen erbaut wurde. Aber dann machen sie eine grauenhafte Entdeckung …

Rezension von Ronny Schmidt

Howard Philips Lovecraft dürfte wie kein zweiter Autor, das Horrorgenre repräsentieren. Geradezu legendär ist sein Cthulhu-Mythos, jener fantastische Rahmen um die „Großen Alten“, der sich bis in die heutige Zeit zahlloser Interpretationen erfreut und zur Inspiration ebenso zahlreicher und grundverschiedener Werke unterschiedlichester Coleur dient.

Lars-Peter Lueg, seines Zeichens Verlagschef von LPL, hat „es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen“ – und das gelingt ihm seit Jahr und Tag mit den Hörbüchern seines Verlags ganz hervorragend.

Den Cthulhu-Mythos griff man in dieser Hörbuchreihe bereits öfters auf; mit „Berge des Wahnsinns“ hat man sich nun allerdings das Aushängeschild, gleichsam aber auch die Demystifikation“ dieses Mythos vorgenommen – und eine ungemein fesselnde, geradezu hypnotische Lesung geschaffen, die sämtliche Stärken Lovecrafts vereint, sei es seine Wortwahl, die für derartige Literatur eigentlich ungewöhnlich komplexen Satzbauten, die kalte, teils morbide Atmosphäre, sein Gespür dafür, aus den Tagebucheinträgen seines Akteurs eine umfassende und schlicht beeindruckende Erkundungsreise ins Unheimliche zu machen.

David Nathan besticht als Erzähler – einmal mehr. Er lebt diese, zugegeben schwierige, Vorlage regelrecht, und schafft sogar die gemeinhin unglaublich schwierige, eigentlich unlösbare Aufgabe, aus diesem „Qausi-Tagebuch“ einen „Film im Ohr“ zu erzeugen, obschon der beschreibende Stil eben dies hätte verhindern können. Können, wie gesagt, denn Nathans Leistung ist beeindruckend und so wird aus „Berge des Wahnsinns“ in Hörform ein hypnotischer Strudel aus wissenschaftlicher „Trockenheit“ und beängstigenden Szenarien, unterschwelliger Bedrohung, der den Hörer in der Tat bis zur wortwörtlich letzten Sekunde festhält. Es ist faszinierend, wie galant Lueg und in Ausführung Nathan die „Todesklippe“, die sich durch den Stil der Vorlage freilich ergibt, umfahren und eine schlicht brilliante Hörproduktion abliefern, die man durchaus als Synonym für „Scientific Horror“ bezeichnen kann und der bislang eher „traditionell-übernatürlichen“ Betrachtungsweise der „Großen Alten“ eine wissenschaftliche, jedoch ebenfalls ungemein unheimliche Wendung gibt.

Lesungen bei LPL sind seit Beginn an eng mit den faszinierenden Klängen Andy Materns verbunden und auch „Berge des Wahnsinns“ beweist einmal mehr Materns Gespür für Atmosphärenerzeugung via elektronischer Klänge. Materns Stücke in Kombination mit Nathans Leistung erzeugen ein schier überwältigendes Gesamtwerk und der Hörer fühlt sich regelrecht an den Ort des Geschehens versetzt, spürt die Kälte des ewigen Eises und die Bedrohung der bizarren Begebenheiten und der titelgebenden Gebirge mit ihren sonderlichen Gebilden und Überresten einer unbekannten Spezies.
„Berge des Wahnsinns“ – eine verdammt schwierige, indes wegweisende Vorlage entpuppt sich in Hörform als schlicht brillianter Eintrag der Hörbuchreihe „H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“, für mich sogar der bislang mit Abstand beste Eintrag.
David Nathan besticht mit einer schlicht beeindruckenden Leistung und Andy Materns musikalisches Können lässt in Kombination mit Nathans Leistung ein überwätligendes, atmosphärisch extrem dichtes Gesamtwerk entstehen. Die bislang definitiv beste Lovecraft-Vertonung – ein hypnotischer Strudel, der erst mit dem Ende der letzten CD endet.

Weiterführende Links:


Zuletzt gehört

Juli 22, 2008

Die Welle

Die Welle -- Hörspiel von Sven Stricker

Nach dem Roman von Morton Rhue
Regie: Sven Stricker
Sprecher: Gernot Endemann, Christian Stark u.a.

In Die Welle beginnt alles mit einem Film über den Holocaust.
Der junge Lehrer Ben Ross zeigt den Schülern der Gordon High School Bilder von ausgermergelten Juden im Konzentrationslager. Alle sind angewidert und entsetzt, aber eine Gruppe um Laurie Saunders von der Schülerzeitung kann und will nicht glauben, dass Menschen zu derlei Grausamkeiten überhaupt fähig sind. Um sie und andere zu überzeugen, startet Ross ein Experiment, dass auf fast unbemerkte Art und Weise Methoden der Diktatur installiert. Und plötzlich zerfällt der Klassenverbund in Opfer und Täter — bis die Situation auf schreckliche Weise eskaliert.

Viele Schüler dürften „Die Welle“ aus der Schule kennen und wie kaum ein anderes Buch hat sich Morton Rhues Werk sich zur „Quasipflicht“ etabliert – und nicht ohne Grund. In kompremierter Form bekommt man hier serviert, wie einfach Menschen dem Phämonen „Faschismus“ verfallen können. Es ist keine moralisch-triefende Angelegenheit, sondern „nur“ ein Spiegel, den man vorgehalten bekommt, ohne daß daraus der „Na na na, *du* bist Schuld. *Du* ganz allein!“-Zeigefinger hervorgeschossen kommt.

Sven Stricker, der unter anderem auch ‚Pompeji‘, ‚Die Schatzinsel‘ und ‚Dracula‘ inszenierte, bewies auch in diesem „Frühwerk“ sein Gespür für spannende und mit einigen Regiekniffen aufwartende Unterhaltung, wobei: Unterhaltung ist dieses Werk nur im weitesten Sinne.

Von den Sprechern sind wohl Gernot Endemann und Chrstian Stark die bekanntesten und Endemann bietet hier eine beeindruckende und gegen Ende -im positiven Sinne- regelrecht gruselige Leistung. Ansonsten werden die Sprecherinnen und Sprecher durch eine gute Regie zu ebensolchen Leistungen gebracht. Grundsolide, im Falle Endemann schlicht atemberaubend.

Geräusche werden nicht des Eigenzwecks halber eingesetzt, passen und lassen eine lebendige Welt entstehen; auf Musik wird nahezu gänzlich verzichtet, was dem Realismus indes ungemein zuträglich ist.

„Die Welle“ ist nicht nur als Buch Pflichtprogramm. Die Thematik wird wohl auch auf absehbare Zeit leider aktuell bleiben und somit kann ich dieser Hörproduktion nur eine doppelte Empfehlung aussprechen: A. der Thematik wegen und B. einfach deshalb, weil das Hörspiel verdammt gut produziert ist.

Weiterführende Links:
Wikipedia-Eintrag zum Experiment „The Third Wave“
„Die Welle“ bei amazon.de


Zuletzt gesehen

Juli 8, 2008

Chocolat

Mit Juliette Binoche, Carrie-Ann Moss, Judi Dench, Alfred Molina, Johnny Depp, Peter Stormare u.a.

Regie: Lasse Hallström

Ende der 50er Jahre weht der Nordwind die zauberhafte Vianne und deren kleine Tochter Anouk in das französische Dörfchen Lansquenet-sous-Tannes, das seit dem Mittelalter allen Modernisierungsbestrebungen erfolgreich widersteht. Dort wünscht man sich nichts sehnlicher als seine Ruhe. Doch genau die bekommt man mit der resoluten Frau gerade nicht, die mitten in der Fastenzeit in Kirchennähe eine Chocolaterie eröffnet. Die bigotte Dorfgemeinde geht auf die Barrikaden – aber Vianne versteht sich mit geradezu magischem Geschick zu wehren…

Ein fantastischer und fantastisch gemachter Gute-Laune Film, der mit einem riesigen Staraufgebot Schauspiel in Reinkultur auf den Bildschirm bringt. Herrausragend sind vor allem Alfred Molina als bärbeißiger Bürgermeister, der sich mit Juliette Binoche, bzw. ihrer Chocolateriebesitzerin schon ein Don Camillo & Peppone-artiges Duell liefert, dann natürlich Johny Depp, der -für viele weibliche Fans sicherlich vorher zu erwähnen- hier weder die Hauptrolle spielt, noch in der ersten Hälfte des Films auftaucht, und dennoch wie immer eine Präsenz hat, die viele andere blass aussehen lässt.
Und ja, man muss Judy Dench Respekt zollen. Wie die den meisten wohl nur als „M“ aus den Bond-Filmen bekante Darstellerin die alte „Schrulle“ spielt, flucht, zickig ist und trotzdem keinesfalls als schlechter, sondern eher, ja fast schon gebrochener Charakter rüberkommt, ist beeindruckend und am Ende schlicht bewegend.

„Chocolat“ war einer der Filme, die nicht mal in der Nähe meiner „Unbedingt sehen“-Liste sind, und trotzdem muss ich sagen: Gut, daß ich ihn sehen durfte, ansonsten wäre mir dieses Juwel der Schauspielerei und Erzählkunst sicherlich „durch die Lappen gegangen“.

 

The Killer

Mit Chow Yun-Fat, Danny Lee, Sally Yeh u.a.

Regie: John Woo

Profikiller Jeffrey fühlt sich für die Nachtclubsängerin Sally verantwortlich, die ein Feuerstoß aus seiner Waffe blendete. So nimmt er einen letzten Auftrag an, um mit der Prämie für den Großgangster Tony Weng der Frau seiner Träume die dringend notwendige Netzhauttransplantation zu finanzieren. Dabei kommt ihm der engagierte Jung-Cop Lee auf die Spur, doch stellen die Männer bald fest, daß sie mehr verbindet als trennt. Gemeinsam ziehen Cop und Killer in einen Krieg gegen die Heerscharen der Unterwelt.

Seit Jahr und Tag einer meiner absoluten Favoritenfilme. John Woo verstand es bereits Ende der 80er Jahre in Hong Kong Action zu inszenieren, um die ihn nicht nur die Großen des Films bewundern, sondern die auch heute, fast 20 Jahre nach der Veröffentlichung, immer noch etlichen Möchtegern-Regisseuren zeigt, wo der Hammer hängt.

Dabei ist die Action allein nicht einmal das bestechendste an Woos Meisterwerk. Vielmehr vermochte der von den Medien gern „Mozart der Verwüstung“ getaufte Regisseur hier etwas zu vollbringen, das in gängigen Actionstreifen gemeinhin selten, eigentlich gar nicht zu finden ist: Er schuf Charaktere, die Ecken und Kanten haben, die Fehler machen, aber auch Prinzipien. Woo hat hier nicht weniger inszeniert als eine Art aktualisierte „klassische Tragödie“ mit fantastischen Darstellern (Chow Yun-Fat ist einfach unschlagbar als entschlossener, dennoch keinesfalls unmenschlicher und im Inneren zutiefst zerrüteter Killer), einer kompromisslosen Geschichte über Freundschaft und Verrat, Liebe, Ehre, Verbrechen und den Tod, sowie einer Choreographie, die, wie bereits erwähnt, selbst heute noch viele moderne Actionfilme aussehen lässt wie Amateurkram.

„The Killer“ sollte man als Cineast zumindest einmal gesehen haben. Wenn ein Film die späten 80er, frühen 90er des Hong Kong Films prägte und zudem gestandene Regisseure wie Quentin Tarantino, Oliver Stone und Michael Mann beeinflusst und sie zu Reminiszenzen veranlasst, dann war es John Woos The Killer.
Aber Obacht: Auf gar keinen Fall auch nur 1ct. für die FSK-16 Fassung ausgeben – da ist der Film unguckbar, sozusagen der erste John Woo Film „mit ohne“ Schießerei. Auf jeden Fall zur 18er Fassung greifen.


Hancock (Kommentar)

Juli 8, 2008

Hancock
USA 2008
FSK-Freigabe: Ab 12 Jahren
Länge: 92 Minuten

Regie: Peter Berg

Darsteller:
Will Smith, Charlize Theron, Jason Bateman, Eddie Marsan u.a.

Verleih:
Sony Pictures.

Bundesstart: 03.07.2008

Inhalt:

Hancock (Will Smith) ist ein waschechter Superheld, auf den Los Angeles allerdings verzichten könnte. Mit seinen unglaublichen Taten rettet er zwar unzählige Leben, hinterlässt aber eine unwahrscheinliche Spur der Verwüstung. Derart missverstanden vegetiert er als verbitterter Alkoholiker auf der Straße – bis er PR-Agent Ray (Jason Bateman) rettet. Der revanchiert sich mit einer Imagekampagne – ohne zu ahnen, dass seine Frau (Charlize Theron) Hancock nur zu gut kennt.

Quelle: http://www.kino.de/kinofilm/hancock/104109.html

Kurzkommentar:

Man *kann* durchaus eine Komödie mit ernsten Untertönen drehen. Umgekehrt kann man durchaus auch einen ernsten Film mit komödiantischen Untertönen drehen. Dies erfordert jedoch ein ausgewogenes Maß beider Zutaten und einen guten Drehbuchautoren und vor allem im Schnitt jemanden, der eben selbige Gratwanderung zu Vollziehen in der Lage ist… was bei „Hancock“ leider nicht klappte. Der Zuschauer weiß, ebenso wie die Geschichte und der Schnitt, nicht, wohin man will und woran man letztlich ist (in etwa das befürchtete „Ultravilolet“-Gefühl, wo Sony ja auch meinte „Och, wir schneiden den Film mal eben komplett um und setzen die Akzente anderes).

Die Idee zu „Hancock“ ist klasse, ohne Frage – die Umsetzung allerdings, naja.

6 von 10 Weinflaschen.

PS: Hoffe dennoch auf einen zweiten Teil – die Idee ist nämlich zu gut, um sie durch den Erstling kaputtmachen zu lassen.

Offizielle Website zum Film:
» http://www.hancock-derfilm.de/


Gruselkabinett -22- : Der fliegende Holländer

Juli 2, 2008

Gruselkabinett -22- : Der fliegende Holländer
nach Heinrich Heines „Die Memoiren des Herren von Schnabelewopski“.

Der fliegende Holländer. Ein Hörspiel nach Motiven von Heinrich Heine. Titania Medien, 2008.

Ein Hörspiel von Marc Gruppe.
Umfang: 1 Audio-CD.
Erstveröffentlichung: November 2007.
Laufzeit: ca. 60 Minuten.
ISBN-Nummer: 978-3-7857-3350-9.

Es sprechen:
David Nathan, Wolfgang Condrus, Roland Hemmo, Barbara Adolph, Uli Krohm, Simon Jäger, Tommy Morgenstern, Nicolas Artajo, Thomas Nero Wolff, Dascha Lehmann und Heinz Ostermann.

Inhaltsangabe des Verlags:

Bis in alle Ewigkeit verflucht, muss das Geisterschiff des fliegenden Holländers die Weltmeere auf der Suche nach der ersehnten Erlösung der Mannschaft durchstreifen. Unheil droht demjenigen, der dem rotglühenden Dreimaster in stürmischer Nacht begegnet. Verderben hingegen wird dem zuteil, der sich mit dem verfluchten Kapitän des Seglers einlässt …

Rezension von Ronny Schmidt

Lang bevor Kapitän Jack Sparrow auf den zu ewigen Leben verdammten Barbossa traf, spukte eine ähnlich klingende Geschichte durch die Welt und fand sich in allerlei Kunstgattungen wieder, in denen sich zwei besonders bekannte Namen befinden. Richard Wagner, der seine gewaltige Oper 1843 uraufführte – und diese nie hätte komponieren können, wäre er nicht einige Jahre zuvor über Heinrich Heines „Die Memoiren des Herren von Schnabelewopski“ gestolpert.

Auf Motiven selbiger basiert der bereits zweiundzwanzigste Eintrag in der erfolgreichen Historie von Titania Mediens „Gruselkabinett“.

Marc Gruppe und Stephan Bosenius haben sich von Anfang an der Schauerromantik verschrieben. Respektive keine sinn- und handlungslosen Metzelorgien, in denen uninteressante Klischeeinkarnationen durch langweilige Handlungsversätze, so man sie so nennen möchte, von einem Blutbad zum nächsten waten. Sowohl Gruppe, als auch Bosenius haben in den bereits über zwei Dutzend umfassenden Geschichten des „Gruselkabinetts“ bewiesen, daß es um mehr geht: Charaktere, die beim Hörer Empathie wecken und Emotionen, die nicht durch Hektoliterweise vergossenes (Hör-)Blut erzeugt werden können.

In exakt dieser Tradition präsentiert sich auch „Der fliegende Holländer“, und ist, mehr noch als die vorigen Folgen, Aushängeschild für den Begriff „Schauerromantik“. Geradezu brilliant ist die „Erzählung in der Erzählung in der Erzählung“. Das Skript ist von herausragender Qualität, offeriert diese Art der Erzählweise doch gleich etliche Fallen, die indes galant umgangen wurden. Der letztliche Kern aus Protagonisten und antagonistischen Kräften, der beiderseitige Konflikt, sowohl auf Seiten des verfluchten Kapitäns, als auch der hübschen Katharina, die beide ihrem Willen nach für einander bestimmt sind, der Kapitän jedoch letztlich an seinem inneren Konflikt scheitert und im Versuch, Katharinas Leben vor dem Fluch zu retten und vor der harten Prüfung bewahren, ihm für immer treu zu sein, sie letztlich in den Freitod treibt, offenbart in jeder Minute was der Begriff „Schauerromantik“ bedeutet.

Getragen wird das Hörspiel von den Sprechern, insbesondere durch die Leistungen von Roland Hemmo, Dascha Lehmann, Barbara Adolph, Wolfgang Condrus und natürlich David Nathan, der dem verfluchten Kapitän genau das richtige Maß an Tragik und Verzweiflung einhaucht.

Wie immer gibt es auch in dieser Folge keine Fauxpas seitens der Sprecherleistungen zu vermelden; Gruppe und Bosenius haben ein -wortwörtlich- unheimlich gutes Gespür dafür, wie sie die Sprecherinnen und Sprecher zu wahren Höchstleistungen führen.

Auch musikalisch gerät das vorliegende Werk ebenfalls zu einer der besten Folgen der Reihe. Oft wird auf die Oper von Wagner verwiesen – kein Wunder also, daß es beeindruckend und regelrecht pompös zugeht und doch passt die Musik in jedem einzelnen Einsatz perfekt und lässt, unterstützt vom ebenfalls vorbildlichen Einsatz von Geräuscheffekten, eine Atmosphäre entstehen, der sich der Hörer kaum zu entziehen vermag.

So kann auch „Der fliegende Holländer“ aus dem Hause Titania Medien einzig mit einer deutlichen Empfehlung bedacht werden. Durch die Verquickung aus bestechendem Skript, den zugänglichen Charakteren, perfekt agierenden Sprecherinnen und Sprechern, einer absolut wasserdichten musikalischen und effektmäßigen Untermalung, sowie einer daraus resultierenden, unglaublich dichten Atmoshäre, untermauern Gruppe und Bosenius einmal mehr ihre Fertigkeit, in Zeiten von in Blut ertränkten Schockern mit filigranen und in der Tat schaurig-romantischen Klassikern einen Gegenpol zu setzen, der nicht mit dem Ende der CD in Vergessenheit gerät.

» Offizielle Website von Titania Medien
» „Der fliegende Holländer“ inkl. Hörprobe bei Titania Medien
» Wikipedia-Eintrag: „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner
» Wikipedia-Eintrag: Heinrich Heine


David Ignatius: Der Mann, der niemals lebte

Juli 1, 2008

David Ignatius
Der Mann, der niemals lebte

Gelesen von Johannes Steck.

Der Mann, der niemals lebte. Hörbuch gelesen von Johannes Steck. Erschienen bei Audiobuch, 2008.

Umfang: 6 Audio-CDs.
ISBN: 978-3-89964-302-2

In europäischen Großstädten explodieren Autobomben der al-Qaida. Die CIA ist ratlos: Wer ist der Drahtzieher der Attentate? Wie können die geheimen Pläne der Terrororganisation aufgedeckt und vereitelt werden? Jeder Versuch der verbündeten Geheimdienste, einen Maulwurf bei al-Qaida einzuschleusen, schlug bisher fehl.
Da kommt der in Jordanien stationierte CIA-Agent und Nahost-Experte Ferris auf eine geniale Idee: Wenn man die Organisation nicht infiltrieren kann, muß man eben so tun als ob.
Ausgestattet mit brisanten Unterlagen wird eine Leiche im Libanon plaziert. Und tatsächlich: Das trojanische Pferd erzielt seinen gewünschten Erfolg. Doch dann wird Ferris plötzlich selbst entführt und muß sich erstmals fragen, welchen Preis er für die Verteidigung seiner Prinzipien zu zahlen bereit ist …

Rezension von Ronny Schmidt.

Ein Thriller, der sich den „Krieg gegen den Terrorismus“ zum Thema nimmt, kann völlig danben gehen. Glücklicherweise ist David Ignatius dieses Dilemma erspart geblieben, denn mit „Body of Lies“, bzw. „Der Mann, der niemals lebte“ liefert er den Beweis dafür, daß intelligente Agententhriller keine triefenden Klischees brauchen, um zu funktionieren.

Gleich vorweg: Wer „heroische Amerikaner schlagen bösen, bösen Terroristen (natürlich islamistischen Glaubens) wieder so richtig klischeebeladen ein Schnippchen“ erwartet, sollte sich andere Kost suchen. Ignatius hat keine saubere CNN-Variante gezaubert, sondern einen Roman, der auf beiden Seiten, sowohl der Amerikaner, als auch der Araber, das triefende Schwarz/Weiß-Getue verbannt und zeigt, daß auf beiden Seiten Menschen agieren, die manipulieren können, die betrügen, belügen, aber auch lieben und für ihre Prinzipien eintreten können.

Nun ist „Der Mann, der niemals lebte“ kein Islam-Bashing, ebensowenig wie ein Anti-Amerika Pamphlet. Und dabei kommt Ignatius gänzlich ohne „erhobenen Zeigefinger“ aus, einfach nur indem er Charaktere agieren lässt und keine von Wahlkampfplakaten und Fahndungslisten entliehene, eindimensionale Klischees. Exemplarisch hat der „normale“ Held in Agenthrillern immer eine reine Weste, schafft ohne ernsthafte Probleme alles – nur hat Roger Ferris weder eine reine Weste, noch durchschreitet er das Intrigenspiel ohne Blessuren.
Andersrum agieren auch die sonst in ähnlichen Romanen immer als rückständig und/oder sinnlos brutal agierenden Araber hier auch nicht den allseits bekannten Klischees entsprechend. Und auch die amerikanische CIA, insbesondere personifiziert durch Ed Hoffman, bekommt eine ordentliche Portion Kritik an der amerikanischen Überheblichkeit den Arabern gegenüber ab, also imho durchaus realistisch(er) als viele andere Romane dieses Genres.
Niemand hat in diesem Thriller den „Gut“- oder „Böse“-Schein in reinem Schwarz oder reinem Weiß gepachtet – das darzustellen und vor allem als essentiellen Bestandteil seiner bitterböse durchdachten Handlung zu etablieren, ist Ignatius perfekt gelungen.

Vorgetragen wird das Ganze von Johannes Steck, der beispielsweise bereits im Hörbuch zu Simon Becketts „Die Chemie des Todes“ bewies, daß er nicht nur eine verdammt markante, sondern auch eine passende Stimme hat, wenn es darum geht, Thriller zu tragen.
Und auch hier erweist sich Steck als Glücksgriff. Er haucht den Figuren Leben ein, variiert den Tonus seiner Stimme entsprechend und lässt auch den hier und da nötigen arabischen Dialekt passend und imo (in meinen Ohren) nicht unfreiwillig komisch einfließen. Steck verleiht zudem den Emotionen der Akteure Gewicht. Er schreit, er röchelt, er flucht – und lässt durch die Authentizität den „Film im Kopf“ entstehen.

Bleibt als Fazit: „Der Mann, der niemals lebte“ gehört in die Sammlung eines jeden, wirklich jeden Agententhriller-Fans, der einem Schuß Realismus nicht abgeneigt ist. David Ignatius ist ein brillianter Thriller gelungen, der den Hörer in eine ziemlich ungeschönte Welt der Spionage zieht und auf tumbe Schwarz/Weiß-Malerei verzichtet.
Vorgetragen von einem verdammt gut aufgelegten Johannes Steck, avanciert „Der Mann, der niemals lebte“ zu einem ungheuer intensiven „Film im Kopf“, den sich Hörbuchfans im Gesamten, Thrillerfreunde im Besonderen definitiv nicht entgehen lassen können.

Der Roman wird derzeit von Ridley Scott (Alien, Blade Runner, Gladiator, Black Hawk Down, Thelma & Louise, 1492) verfilmt. In den Hauptrollen Leonardo DiCaprio und Russell Crowe.
Geplanter Bundesstart: 23. Oktober 2008.

Weiterführende Links:
Offizielle Website von Johannes Steck
Offizielle Website Audiobuch Verlag